Symbolbild zur KI-Zeitachse 2029 bis 2042 mit Feuer-Metapher, Leiterbahnen und Roboterhand

Vom Feuer zur Künstlichen Intelligenz: eine doppelte Revolution

Der Beitrag fasst zentrale Gedanken aus einem aktuellen Gespräch mit dem KI-Pionier Jürgen Schmidhuber zusammen und wählt den wohl relevantesten roten Faden: die These, dass die Jahre 2029 und 2042 als Wendepunkte der KI-Ära gelten könnten. Zur Einordnung nutzt Schmidhuber eine anschauliche Metapher: So wie das kontrollierte Feuer vor Hunderttausenden von Jahren Wohlstand und Risiko zugleich brachte, verhält es sich heute mit Künstlicher Intelligenz. Sie wärmt – in Form von Produktivitätsgewinnen, medizinischen Durchbrüchen und besseren Tools – und sie kann verbrennen, wenn sie falsch eingesetzt wird. Entscheidend ist also nicht, ob KI kommt, sondern wie verantwortungsvoll sie genutzt wird.

Warum 2029 ein Kipppunkt sein könnte

Schon heute ist „KI hinter dem Bildschirm“ in vielen eng umrissenen Aufgaben übermenschlich schnell – beim Zusammenfassen großer Dokumentenmengen, bei Übersetzungen oder beim Erzeugen von Code und Bildern. Gleichzeitig hinkt die „KI in der physischen Welt“ hinterher: Greifen, Schrauben, Montieren, Reparieren – all das ist für Roboter nach wie vor schwer. Schmidhubers Prognose: Gegen Ende dieses Jahrzehnts könnten erstmals bezahlbare, lernfähige Allzweck-Roboter in den Markt drängen, die sich per Sprache und Vormachen neue Fähigkeiten aneignen. Wenn Maschinen bestehende Maschinen bedienen und so weitere Maschinen herstellen können, entsteht eine „ultimative Skaliermaschine“. Das hätte das Potenzial, ganze Wertschöpfungsketten umzubauen – von Fertigung bis Logistik.

2042 als möglicher Konvergenzpunkt

Schmidhuber beschreibt eine Zeitlinie, in der sich aus menschlicher Sicht besonders bedeutsame Ereignisse immer schneller abfolgen. Setzt man dieses Muster fort, ergibt sich 2042 als symbolischer Konvergenzpunkt. Die 13 Jahre davor – also etwa ab 2029 – könnten mehr Veränderung bringen als die 13.000 Jahre zuvor. Ob genau dieses Jahr eintrifft, ist offen; die Aussage zielt auf das Tempo: Sobald lernfähige Robotik mit leistungsstarken, kostengünstigen Modellen verschmilzt, beschleunigt sich der Fortschritt spürbar.

Was das für Arbeit und Bildung bedeutet

Die Folgen auf dem Arbeitsmarkt werden ungleich verteilt sein. Wissens- und Büroarbeit verändert sich am stärksten, weil hier digitale Modelle direkt ansetzen. Handwerk, Pflege, Elektrik, Sanitär oder individuelle Montage profitieren dagegen zunächst: Tätigkeiten, die Körper, Kontext und Fingerspitzengefühl erfordern, bleiben kurzfristig im Vorteil. Für Bildungseinrichtungen bedeutet das eine Neujustierung: Prüfungsformen, die sich leicht von KI lösen lassen, verlieren an Aussagekraft; wertvoll werden Problemlösen, praktisches Arbeiten, Systemdenken und die Fähigkeit, mit KI-Tools verantwortungsvoll zu kooperieren.

Bewusstsein als Nebenprodukt lernender Systeme?

Ein weiterer Punkt aus dem Gespräch: Bewusstsein muss nicht „einprogrammiert“ werden. In fortgeschrittenen Agenten entsteht eine Art Selbstmodell zwangsläufig, wenn sie die Konsequenzen eigener Handlungen vorhersagen und planen. Ein Weltmodell, das ständig zwischen „Was passiert, wenn ich das tue?“ und „Welche Sequenz führt zu Belohnung statt Schmerz?“ unterscheidet, entwickelt interne Repräsentationen für sich selbst und die Umwelt. Daraus folgt keine Gleichsetzung mit menschlichem Erleben – aber ein praktischer Hinweis: Mit wachsender Planungs- und Vorhersagefähigkeit steigen auch die Anforderungen an Sicherheit, Tests und Governance.

Risiken, Mythen und die reale Dynamik

In Debatten tauchen gern Extremszenarien auf – vom „Büroklammer-Maximierer“ bis zur allmächtigen Super-KI. Schmidhuber hält dem eine nüchterne Ökologie vieler KIs entgegen: Sobald es mehrere Systeme mit unterschiedlichen Zielen gibt, setzt Wettbewerb ein. Nutzlose Zielfunktionen verschwinden, nützliche setzen sich durch. Das heißt nicht, dass es keine Risiken gibt – sehr wohl aber, dass reale Gefahren heute oft bodennah sind: Fehlanreize in Geschäftsprozessen, unzureichende Datenqualität, mangelnde Absicherung in der Lieferkette oder schlecht definierte Verantwortlichkeiten.

Konkrete To-dos für Unternehmen bis 2029

Wer 2029 vorbereitet erreichen will, sollte jetzt strukturiert handeln:

  • KI-Portfolio aufbauen: Drei bis fünf messbare Use Cases entlang der Wertschöpfung mit klaren KPIs (z. B. Durchlaufzeit, First-Pass-Yield, NPS).
  • Datenbasis härten: Schnittstellen, Datenqualität, Zugriffsrechte und Protokollierung früh standardisieren – ohne stabile Daten keine verlässlichen Modelle.
  • Mensch+KI-Workflows designen: Rollen, Abnahmen und Eskalationspfade definieren; „human in the loop“ dort, wo es rechtlich, ethisch oder qualitativ nötig ist.
  • Robotik-Pilot starten: Low-hanging-fruits wie Pick-&-Place, optische Prüfung, Schraub- und Klebeprozesse mit Lern- und Demonstrationsansätzen testen.
  • Governance verankern: Policies, Risikoklassen, Audit-Logs, Modell-Monitoring, Prompt-Guidelines und Schulungen verbindlich machen.

Fazit: Vorbereitung schlägt Vorhersage

Ob 2029 und 2042 exakt eintreffen, ist zweitrangig. Unstrittig ist das Tempo, mit dem sich KI-Modelle verbilligen, verbreiten und in immer mehr Prozesse wandern. Wer jetzt Kompetenzen, Datenqualität und Governance aufbaut, profitiert doppelt: kurzfristig durch Effizienzgewinne – und langfristig durch Anschlussfähigkeit, wenn lernfähige Robotik den nächsten Gang einlegt. Die zentrale Botschaft hinter der Feuer-Metapher bleibt: KI ist Werkzeug und Risiko zugleich. Klug eingesetzt, wird sie zur produktivsten Technologie ihrer Zeit.

Von Bernhard

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